Retina aktuell - 2/2018


Probewohnen in der Louis-Braille-Schule in Düren


Von IMKE TYARKS

Für blinde und sehbehinderte Schüler der Louis-Braille-Schule in Düren, die selbst testen wollen, wie es ist, von zu Hause auszuziehen, hat die Schule ein ganz besonderes Angebot: Probewohnen.

Jeweils vier Schüler können im alten Pförtnerhaus direkt auf dem Schulgelände in einer Wohngemeinschaft den Alltag ohne Eltern ausprobieren. Das Probewohnen findet für je zwei Wochen immer vor den Herbst- und den Osterferien statt. Die Schüler können selbst entscheiden, ob sie an beiden Probemodulen oder nur an einem teilnehmen wollen. Geeignet ist das Probewohnen für Jugendliche, die körperlich fit und mindestens 17 Jahre alt sind. Frau Alexandra Dorweiler, Koordinatorin des Projekts, spricht die in Frage kommenden Schüler direkt an und hält Rücksprache mit Eltern und Lehrern. Anschließend prüft Frau Dorweiler, wer gut zueinander passt und stellt danach die Gruppe zusammen.

Beim Probewohnen kommt garantiert keine Langeweile auf, denn: Der Alltag ist wirklich sehr ausgefüllt: Vormittags gehen die Jugendlichen wie gehabt bis 15:30 Uhr zur Schule. Nachmittags bekommt jeder ein persönliches Training. Dafür stehen je ein männlicher und ein weiblicher Assistent - zusätzlich zu den Betreuern in der Wohngruppe - zur Verfügung. Wirklich ein Luxus, denn damit ist eine 1:1 Betreuung gewährleistet - bis abends um 20.00 Uhr. Danach gibt es dann einen Nachtdienst. Die Jugendlichen sind also nie sich selbst überlassen und haben jederzeit die Möglichkeit, sich Unterstützung zu holen.

In einem strukturierten Interview fragt die Schule vor Beginn des Probewohnens ab, für welche Lebensbereiche sich jeder Jugendliche eine besondere Förderung wünscht. Das übergreifende Thema ist: Was kann im Leben passieren und wie kann ich mich bestmöglich vorbereiten? Jeder darf sich drei Ziele aussuchen, beispielsweise den Umgang mit Geld, Freizeit oder Bereiche im Haushalt wie Kochen und speziell der Umgang mit Lebensmitteln. Alle Jugendlichen, die dies wollen, können zweimal in der WG wohnen. Beim ersten Mal sind viele regelrecht geschockt, da sie sich das Ganze mehr wie eine Klassenreise vorgestellt hatten. Endlich kann man mal was ausprobieren: "Ich bleibe die ganze Nacht auf." Eine Erfahrung, die man zu Hause bei den Eltern eben nicht machen kann. Doch spätestens nach der zweiten durchwachten Nacht sieht man ein, dass Schlaf doch recht wichtig ist.

Statt Party ohne Ende gibt es plötzlich jede Menge (lästige) Pflichten, die zu Hause von Eltern und Geschwistern übernommen wurden. Ganz erstaunlich - und nicht unbedingt toll - was alles dazugehört, wenn man einen eigenen Haushalt führen will. Schon morgens vor der Schule fängt es mit dem Frühstück an. Was brauchen wir dazu und wer bereitet es vor? Alle Aufgaben, die im WG-Alltag anfallen, müssen auf die Mitbewohner verteilt werden. Wer hat Tischdienst? Wer hat Wäschedienst und wie funktioniert das mit dem Waschen überhaupt, wenn man nur eine einzige Waschmaschine für alle hat? Wie soll man die Wäscher sortieren? Was gibt es die ganze Woche über zu essen? Gemeinsam wird ein Speiseplan aufgestellt und eine Einkaufsliste geschrieben. Ein Jugendlicher darf, unterstützt durch einen Betreuer, einkaufen gehen und die leckeren Sachen besorgen.

Das Wochenende ist schulfrei, lässt sich aber prima für weiteres Training nutzen, um zu lernen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Unterstützt durch die Betreuer planen die Jugendlichen ihre Freizeitaktivitäten und organisieren Ausflüge. Was kosten die Fahrt und der Eintritt? Wie kommt man überhaupt hin? Wann fährt der Bus oder die Bahn? Gibt es Ermäßigung mit dem Schwebi?
Nach Ablauf der ersten Woche erfolgt eine erste Bestandsaufnahme. Dabei hat sich nach bisherigen Erfahrungen häufig herausgestellt, dass das selbst gesteckte Ziel viel zu hoch und damit unrealistisch ist. Dieses wird dann etwas abgeändert, damit es in der zweiten Woche auch wirklich erreicht werden kann und es nicht zu Frustrationen kommt. Beim zweiten Mal Probewohnen sind die Einschätzungen schon viel realistischer. Die WGler wissen, welche Pflichten sie im Alltag übernehmen müssen und können viel besser einschätzen, wo sie noch Hilfe benötigen und diese dann auch rechtzeitig einfordern.

Auf jeden Fall ist das Projekt eine tolle Möglichkeit, Wohnen ohne Eltern auszuprobieren und die Herausforderungen des WG-Alltags zu meistern.

Weitere Informationen:
LVR-Louis-Braille-Schule Förderschwerpunkt Sehen, Meckerstr. 1-3, 52353 Düren
Telefon (0 24 21) 40 78 22 00
E-Mail: Louis-Braille-Schule-Dueren@lvr.de
http://www.blindenschule-dueren.lvr.de/



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